Patellarspitzensyndrom ist eine Verletzung der Patellarsehne: der Sehne, die die Kniescheibe mit dem Schienbein verbindet.
Sie benutzen die Patellarsehne beim Strecken Ihres Beines, zum Beispiel beim Treten, Rennen oder Springen. Deswegen kommt Patellarspitzensyndrom besonders häufig in Sprungsportarten wie Volleyball oder Basketball vor, wobei allerdings auch Nicht-Sportler betroffen sein können.
Die Behandlung von Patellarspitzensyndrom kann in weniger als 3 Monaten geschafft sein1, es kann aber auch bis zu 15 Jahre dauern2.
Der Schlüssel zu einem schnellen und nachhaltigen Behandlungserfolg liegt darin, bereits frühzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen um Rückschläge zu vermeiden.
Auf dieser Seite erfahren Sie Alles, was Sie für eine erfolgreiche Therapie wissen müssen.
Symptome
Sie spüren die Schmerzen beim Patellarspitzensyndrom vorn am Knie. In den meisten Fällen direkt dort, wo die Patellarsehne auf das Knie trifft, mitunter allerdings auch wo die Sehne zum Schienbein führt.
Rennen, springen, Kniebeuge oder Sitzen verschlimmern die Symptome, wobei die Schmerzen auch mit einer Verzögerung von mehreren Tagen auftreten können.

In der frühen Entwicklungsphase der Verletzung treten Schmerzen nur nach intensiver Aktivität auf. Im weiteren Verlauf können Schmerzen allerdings auch bereits beim Sport oder sogar im Ruhezustand auftreten.
Je zeitiger Sie mit der Behandlung beginnen, umso einfacher ist es, die Schmerzen wieder komplett loszuwerden.
Sie sollten umgehend einen Arzt aufsuchen wenn:
- Ihr Knie rot oder geschwollen ist
- Ihre Schmerzen schlimmer werden oder sehr stark sind
- Ihre Schmerzen die Ausführung alltäglicher Aufgaben behindern
- Ihr Knie sich nicht ganz strecken oder beugen lässt
- Ihr Knie sich instabil anfühlt
Ursachen
Die häufigste Ursache von Patellarspitzensyndrom ist wiederholte Überbelastung der Sehne über einen längeren Zeitraum. In der Regel geschieht dies durch eine Kombination von zu hartem und zu häufigem Training.
Wiederholte Überbelastungen unterbrechen die Versuche der Sehne, sich an die Trainingsbelastung anzupassen und mit der Zeit verändert sich die Sehne auf Zellebene3. Sofern die Überbelastung nicht aufhört wird die Sehne dadurch immer schwächer, was in der Zukunft weitere Überbelastung wahrscheinlicher macht.
Aus diesem Grund ist das Schlechteste was Sie tun könnten trotz der Schmerzen weiter Sport zu treiben, da Sie dadurch die Behandlungsdauer um Monate verlängern.
Im Gegensatz zu der häufig verbreiteten Annahme handelt es sich bei Patellarspitzensyndrom nicht um eine durch Entzündung verursachte Verletzung4. Die Krankheit hat zwar Entzündugsmerkmale5, ist allerdings keine Entzündungskrankheit. Deswegen ist der Einsatz von Entzündungshemmern in den meisten Situationen nicht förderlich (siehe Abschnitt über Behandlung).
Eine eher seltene Ursache von Patellarspitzensyndrom ist ein direkter Stoß auf die Patellarsehne6, wie er zum Beispiel durch einen Sturz geschehen kann.
Risikofaktoren
Risikofaktoren für Patellarspitzensyndrom sind:
- Hohes Trainingsvolumen7 (z.B. hatten in einer Studie Sportler die mehr als 20 Stunden pro Woche trainierten ein 8,94-faches Risiko8)
- Starker Anstieg der Trainingsintensität oder des Trainingsvolumens innerhalb kurzer Zeit9
- Höhere Sprungkraft10
- Muskelungleichgewichte wie z.B. Verspannung der hinteren Oberschenkelmuskulatur, der Waden oder der Quadrizepsmuskeln11
- Falsche Sprungtechnik12
- Training auf harten Oberflächen13
- Teilnahme an Sprungsportarten14, insbesondere Volleyball15 oder Basketball16
- Keine schrittweise Rückkehr zum Sport nach mehr als 6 Wochen Pause17
- Diabetes Mellitus18
- Höheres Alter (Risikoverhältnis 4.209-fach) 19
- Unnormales Östrogenlevel20
- Hoher Fettanteil um die Körpermitte bei Männern und um die Extremitäten bei Frauen21
- Autoimmunerkrankungen oder Erkrankungen des Bindegewebes22
Diagnose
Ihr Doktor wird Sie zur Diagnose über den Verletzungsverlauf befragen und eine Kombination aus manuellen Untersuchungen23 und bildgebenden Verfahren wie MRT oder Ultraschall verwenden.
MRTs und Röntgenaufnahmen dienen dabei außerdem zum Ausschluss von Verletzungen mit ähnlichen Symptomen.
In einigen Fällen wird die Diagnose allerdings dadurch erschwert, dass Sehnen auch bei befundfreiem Ultraschall schmerzhaft sein können24. Umgekehrt können auch Sehnen mit auf Ultraschall sichtbaren pathologischen Veränderungen schmerzfrei sein25.
Behandlung: Was hilft?
Für Patellarspitzensyndrome stehen verschiedene Behandlungen zur Auswahl.
Medikamente
Ihr Doktor könnte schmerzlindernde oder entzündungshemmende Arzneimittel wie Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verschreiben. NSAR reduzieren die Schmerzen kurzfristig26. Sie sind eine gute Option sofern sie sehr früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden, verlangsamen allerdings die Heilung sofern die Verletzung chronisch ist27.
Physiotherapie
Physiotherapie mit langsamen Kräftigungsübungen wie exzentrischen Kniebeugen28, der Beinpresse29 oder dem Beinstrecker30 haben in Studien effektiv zu Langzeitverbesserungen geführt.

Isometrisches Halten, d.h. das Gewicht in einer Position zu halten anstatt es zu bewegen, hat ebenfalls vielsprechende Ergebnisse geliefert, da Schmerzen und Muskelinhibition reduziert wurden31.
Außerdem können Dehnungen, wie z.B. der vorderen oder hinteren Oberschenkelmuskulatur, das Risiko von Patellarspitzensyndrom verringern32 und kombiniert mit langsamen Kräftigungsübungen können so noch bessere Behandlungserfolge erzielt werden33. Leider kann Dehnen in manchen Fällen die Schmerzen verschlimmern, weswegen Vorsicht geboten ist.
Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt bevor Sie eine Behandlung beginnen.
Weitere Behandlungen
Physiotherapie kann mit weiteren Behandlungen kombiniert werden, wobei in Studien leider bisher für keine der sonst verfügbaren Behandlungsmethoden starke Beweise für Langzeitverbesserungen gefunden wurden34.
Kühlung durch Eis ist eine ausgezeichnete Option zur nebenwirkungsfreien Schmerzlinderung und um Sehnenirritation in den Griff zu bekommen. Kühlung zeigte allerdings keinen nachhaltigen Behandlungsnutzen35 und verringert außerdem kurzfristig die Flexibilität der Sehne36.
Kniebandagen können kurzfristig zu einer Schmerzlinderung in Patienten mit Patellarspitzensyndrom führen37. Sie können außerdem die Körperwahrnehmung38, die Sprungtechnik39 und die Gleitposition der Kniescheibe40 verbessern. Kniebandagen erhöhen allerdings nicht die Sprunghöhe41 und führen ebenso wenig zu Langzeitverbesserungen.
Ultraschalltherapie lieferte in Studien inkonsistente42 bis gar keine43 Ergebnisse bei der Behandlung von Patellarspitzensyndrom.
Iontophorese kann dafür verwendet werden, mittels eines schwachen Stromes einen Wirkstoff tiefer in das Gewebe eindringen zu lassen44, wofür häufig NSAR oder Corticosteroide verwendet werden. Leider zeigten diese Behandlungen beim Vergleich mit Placebo keinen Vorteil45.
Invasive Behandlungen
Kortisoninjektionen sind günstig, einfach durchzuführen und haben nur ein geringes Risiko unmittelbarer Nebenwirkungen46. Sie können zwar Schmerzen schnell verringern, erhöhen aber auch das Rückfallrisiko47. Zum Beispiel erlitten in einer Studie über Epicondylitis (Sehnenerkrankungen des Ellenbogens) 72% der Patienten die mit Kortisoninjektionen behandelt wurden einen Rückschlag48.
Leider schwächen Kortisoninjektionen das Sehnengewebe49, was das Risiko eines Sehnenrisses stark erhöht50. Insbesondere bei mehreren Injektionen ist daher hohe Vorsicht geboten.
PRP-Injektionen sind eine weitere beliebte Behandlungsmethode von Patellerspitzensyndrom. Hierfür wird ein Teil von zentrifugiertem Eigenblut in die Verletzungsstelle gespritzt um die Heilung zu beschleunigen. Leider gibt es wenige Beweise dafür, dass PRP-Injektionen bei Patellarspitzensyndrom wirkungsvoller sind als Placeboinjektionen51, wobei PRP für hartnäckige Fälle trotzdem sinnvoll sein kann.
Proliferationstherapie und trockenes Nadeln („dry needling“) sind zwei weitere minimal-invasive Behandlungsmethoden für Patellarspitzensyndrome. Keine von Beiden konnte allerdings in der klinischen Forschung überzeugen52.
Eine Operation kann bei besonders hartnäckigen Fällen von Patellarspitzensyndrom in Frage kommen53, sofern alle anderen Behandlungsmethoden ausgeschöpft wurden und der Patient die mit dem Eingriff verbundenen Vorteile und Risiken voll versteht54. Abhängig vom Eingriff ist eine Reha von 6 bis 12 Monaten notwendig55, wobei die Langzeitergebnisse vielsprechend sind56. Zum Beispiel verbesserten sich in einer Studie die Symptome von 57% der Patienten57.
Bei nicht-hartnäckigen Fällen ist eine richtig ausgeführte Behandlung mit Kräftigungsübungen allerdings eine deutlich überlegene Option58 und liefert ausgezeichnete Ergebnisse.
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